Post aus Japan: Warten auf den Wasserstoffboom

Nippons Marktführer bei Brennstoffzellen für den Hausgebrauch hegt globale Pläne. Deutschland ist dabei neben der Heimat der Schlüsselmarkt.

Japan ist und bleibt die führende Wasserstoffnation. Daran ändern auch geplatzte Wasserstoffträume aus der Anfangszeit des vermeintlichen Booms der Brennstoffzelle nichts. Als der Elektronikkonzern Panasonic 2008 wie damals hier berichtet den richtigen Marktstart seines Brennstoffzellen-Strom- und Heißwassergenerators für Eigenheime ankündigte, sagten die Manager bereits für 2015 eine Installation von 300.000 der sogenannten “Ene-Farmen” (Ene von Energie) in Japan voraus. 2016 waren es zwar erst 200.000 Stück. Aber damit ist Japan bereits ein Massenmarkt, während die Brennstoffzelle sich im Rest der Welt kaum bis gar nicht in Eigenheimen bewehrt.

Der Frühstart Japans ist die Folge nationaler und unternehmerischer Strategie. Um seine hohe Abhängigkeit von Rohstoffimporten zu verringern, hat Japans Regierung schon früh den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zum industriepolitischen Langzeitziel erklärt. Damit einher ging die Vorstellung, dass Japan die Brennstoffzellentechnik bei Automobilen und Immobilien dominieren sollte. Dies gelang allerdings nur zum Teil.

Post aus Japan

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Bei Autos gewinnt die Idee erst langsam an Fahrt, aus Wasser- und Sauerstoff schadstoffarm Strom zu erzeugen. Denn die Technik ist nicht nur sehr teuer, es fehlt auch die notwendige Infrastruktur, sprich die Wasserstoffversorgung. 90 Wasserstofftankstellen gibt es landesweit erst. Bei Häuslebauern erfreuen sich Brennstoffzellen allerdings ungeachtet rapide fallender Subventionen wachsender Beliebtheit, wenn auch das Wachstum erlahmt. 2016 wurden 46 000 Brennstoffzellen für Eigenheime verkauft, sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Ob es dieses Jahr weiter so aufwärtsgeht, ist noch schwer vorherzusagen. Denn der ums Überleben kämpfende Technikkonzern Toshiba will Ende Juli den Verkauf seiner häuslichen Brennstoffzellen einstellen. Und damit steigt plötzlich der zweitgrößte Anbieter aus, der in der Region um die Millionenmetropole das Geschäft dominiert. Noch ist offen, ob Marktführer Panasonic, die Nummer 3 Aisin Seiki oder der Neuling Kyocera, der im Juli in Osaka in den Markt einsteigen wird, die Lücke sofort schließen können.

Aber wenigstens Panasonic glaubt an die Technik und will seine Marktführerschaft in Japan nun auch in Europa als Hebel einsetzen. In Deutschland sind die Japaner in einem Bund mit dem Heizungshersteller Viessmann bereits seit 2014 aktiv. Ab August sollen nun auch Großbritannien und Österreich folgen, erklärte Verkaufsmanager Shinsuke Morita vorigen Freitag in einem Briefing. “Andere Märkte können wir noch nicht ankündigen.”

Der Haken bei der Sache: Von einem Boom kann in Europa noch keine Rede sein. Kleine Strom-Heizwasserkraftwerke für den Hausgebrauch sind in Europa einem jährlichen Absatz von 4500 Stück bisher noch ein absolutes Nischenprodukt. Und von denen seien nur 800 bis 1000 Brennstoffzellen, erzählt Morita, “zumeist von Panasonic.”

Als einen Grund vermutet Morita, dass Europäer neuer Technik abwartender begegnen als Japaner. Doch es gibt auch technische Ursachen: Erstens kann Europa im Gegensatz zu Japan nicht mit einem Brennstoffzellenmodell abgedeckt werden. Denn in Europa ist der Brennwert von Gas je nach Erdgasfeld unterschiedlich. Japan importiert hingegen sein Gas in verflüssigter Form in Tankern und gleicht den Brennwert vor der Einspeisung ins Netz an. Panasonic musste daher ein neues Modell entwickeln, um auch die Regionen mit niedrigem Brennwert abdecken zu können.

Zweitens sind die Bedürfnisse unterschiedlich: In Japan sind die Ansprüche der Haushalte besonders an die Heizwasserlieferung geringer. Schließlich gibt es in dem Land generell keine Zentralheizungen. Geheizt wird entweder mit der Klimaanlage oder urtümlicher Kerosin- und Gasbrennern, die die Menschen sich ins Zimmer stellen. Panasonic hat daher die Leistung seiner Brennstoffzellen von 1000 W auf inzwischen 750 W reduziert.

In Europa werden hingegen stärkere Kleinkraftwerke verkauft, die nach Aussage des Geschäftsführers der Planungsabteilung, Motomichi Kato, dennoch nicht ganz die Hälfte des winterlichen Warmwasserbedarfs decken. Doch je größer die Leistung ist, desto höher sind auch die Kosten.

Drittens erschweren die unterschiedlichen Strom- und Gaspreise im fragmentierten Europa eine schnelle Expansion. Deutschland ist für Brennstoffzelle hochinteressant, weil dort der preisliche Unterschied zwischen Gas und Strom das Vierfache betrage, sagt Kato. In Japan sei es nur der Faktor zwei.

Im atomstromgetriebenen Frankreich hingegen ist Strom sehr billig. Um dort rentabel Brennstoffzellen betreiben zu können, müsse Panasonic erst noch die Kosten für die noch recht neue Technik senken. In Japan ist man bereits gut dabei. Derzeit kostet eine Brennstoffzelle rund eine Million Yen (8000 Euro). Bis 2019 soll der Preis auf 800 000 Yen (6400 Euro) sinken. Verglichen mit einem normalen Boiler würde sich die Brennstoffzelle damit in sieben Jahren amortisieren. Derzeit gibt Panasonic die Lebenszeit einer Zelle in Japan mit 90 000 Betriebsstunden an ? oder inklusive abgeschalteter Tage zwölf Jahre.

In Deutschland wiederum könnten Subventionen etwas mehr Dampf in den Markt bringen. Seit August 2016 unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit dem KfW-Programm “Energieeffizient Bauen und Sanieren ? Zuschuss Brennstoffzelle” den Anschaffungspreis. Daher würden die Anschaffungskosten für den Bauherren um 30 bis 50 Prozent sinken. Panasonic hofft daher weiterhin auf den deutschen Markt.

Auch den Glauben an eine reine Brennstoffzelle, die ihren Wasserstoff nicht mehr aus Gas abspaltet, geben die Japaner nicht auf. Der Aufbau einer flächendeckenden Wasserstoffversorgung liegt für sie zwar noch in weiter Ferne. Aber in Japan könnten sich um Wasserstofftankstellen und Smart-City-Projekte kleine Versorgungsinseln bilden, meint Kato. Dementsprechend bereitet sich Panasonic auch auf diesen Markt vor. Seit April läuft bereits ein Versuch mit mehreren Brennstoffzellen für reinen Wasserstoff in Shizuoka. Ein weiterer Testlauf soll folgen. Japan baut damit langsam das Fundament für eine kommerzielle Wasserstoffwirtschaft auf.

(Martin Kölling) / (bsc)

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